Analytische Modellierung von Kommissioniersystemen zur systematischen Planungsunterstützung

Kommissioniersysteme sind wichtige Bestandteile von Logistikketten. Zum einen stellen sie eine Schnittstelle zum Kunden dar, da in ihnen die Waren entsprechend dem Kundenwunsch zusammenstellt werden. Zum anderen verursachen Kommissioniersysteme hohe Logistikkosten, da sie häufig sehr personalintensiv sind. Aus diesem Grund kommt der Planung von Kommissioniersystemen eine besondere Bedeutung zu. Zudem zählt die Planung von Kommissioniersystemen zu den schwierigsten Aufgaben der Logistikplanung. Grund hierfür sind die äußerst unterschiedlichen Anforderungen die an Kommissioniersysteme gestellt werden. In Folge dessen haben sich in der Praxis eine Vielzahl von verschiedenen Verfahren, Techniken und Strategien etabliert. Die Aufgabe, das geeignete Kommissioniersystem aus dieser Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten auszuwählen, stellt für den Planer eine große Herausforderung dar. Der Planer muss sich auf seine Erfahrungen und Referenzprojekte verlassen, da es noch keine allgemeingültige Vorgehensweise gibt, die die gesamte Systemfindung umfasst. Dies führt zu einer subjektiv geprägten Entscheidung für eine Planungsvariante und somit zu einer geringen Transparenz im Planungsprozess.

Dieses Projekt soll Abhilfe schaffen indem ein analytisches Modell entwickelt wird, welches den Planer schnell und zielgerichtet bei der Grobplanung (Systemfindung) von Kommissioniersystemen unterstützt. Wesentliche Aufgabe des Modells ist die Berechnung der Leistung eines heterogenen Kommissioniersystems. Darüber hinaus soll der Planer auch bei der Datenaufnahme, beim festlegen der Planungsdaten und bei der Auswertung der berechneten Leistungsdaten unterstützt werden. In der ersten Phase repräsentiert das analytische Modell ein aus drei Grundkonzepten kombiniertes Kommissioniersystem. Diese drei Grundkonzepte haben sich in der Praxis durchgesetzt und decken nahezu alle Anwendungsgebiete ab. Durch den modularen Aufbau des Modells, sind spätere Erweiterungen um zusätzliche Kommissionierkonzepte möglich. Im Rahmen des Forschungsprojektes wurden die drei nachfolgenden Kommissionierverfahren implementiert.

  • Kommissionierung mit statischer Bereitstellung, eindimensionaler Fortbewegung, manueller Entnahme und zentraler Abgabe.
  • Kommissionierung mit statischer Bereitstellung, zweidimensionaler Fortbewegung, manueller Entnahme und zentraler Abgabe.
  • Kommissionierung mit dynamischer Bereitstellung, manueller Entnahme und zentraler Abgabe.

Die Projektergebnisse sollen einen Beitrag zur methodischen und systematischen Planung von heterogenen Kommissioniersystemen leisten. Auf Basis des analytischen Modells sollen Sensitivitätsanalysen durchgeführt werden, die zum Ziel haben allgemeingültige Gestaltungsrichtlinien für Kommissioniersystem zu erarbeiten. Somit können die allgemeingültigen Ergebnisse des Modells in der Praxis Verwendung finden.

Um die Komplexität des analytischen Modells beherrschbar zu halten, wurden im Vorfeld die Einflussfaktoren auf ein Kommissioniersystem analysiert. Im Modell werden nur die Einflussfaktoren aufgenommen, die die Ergebnisse wesentlich beeinflussen.

Eine weitere Verringerung der Komplexität und damit des Berechnungsaufwandes wird durch die Clusterung des Artikelspektrums und des Auftragsspektrums erreicht. Bei der Clusterung werden Artikel bzw. Aufträge zu einer Artikel-  bzw. Auftragsgruppen zusammengefasst. Ziel der Clusterung ist es, möglichst homogene Artikel- bzw. Auftragsgruppen zu bilden. Dafür wurde ein Vorgehen für die Clusterung entwickelt, welches die Gruppen auf Grund einer maximal zulässigen Abweichung vom Mittelwert einer Gruppe bildet.

Das Modell wird modular aufgebaut, so dass eine spätere Erweiterung um andere Konzepte möglich ist. Das heißt: jedes Kommissionierkonzept wird in einem separaten Baustein zusammengefasst und für jeden Baustein wird ein Referenz Layout erstellt, welches über Parameter (z.B. Anzahl Gassen, Anzahl Regalzeilen, Regaltyp) an die projektspezifischen Anforderungen angepasst werden kann. Ebenso kann der Referenzprozess für einen Baustein angepasst werden. Dazu stehen Auswahlmöglichkeiten für die verschiedenen Prozessschritte (z.B. Informationsbereitstellung per Pickliste oder PC) zur Verfügung. Durch die klar definierten Schnittstellen zwischen den Bausteinen können die einzelnen Bausteine nach den Vorstellungen des Planers zu heterogenen Kommissioniersystemen kombiniert werden.

Zentrales Element bei der Unterstützung des Planers ist eine Datenbank in der sowohl die Originaldaten, die Planungsdaten, die Modellierung und die Ergebnisse gespeichert werden. Der Planer kann über ein Planungstool sein Kommissioniersystem aus den Bausteinen zusammenstellen und über Parameter die Bausteine an die projektspezifischen Anforderungen anpassen. Die anschließende Leistungsberechnung erfolgt ohne weitere Engriffe des Planers. Grundlage der Berechnung ist die Abbildung des Kommissionierprozess mit MTM-Zeitbausteinen. Für die genaue Ermittlung der Zeitstandards werden die Planungsdaten herangezogen. Für die „Person-zur-Ware“-Konzepte wird zusätzlich der erwartete Weg für die Bearbeitung eines Kommissionierauftrags berechnet. Dazu wird die Verteilung der Artikel im Lager, die Auftragsstruktur und die Wegstrategie berücksichtigt.
Neben dem eigentlichen Aufwand für Kommissionierung werden der Nachschubaufwand und der mögliche Aufwand für die Zusammenführung von Teilaufträgen berücksichtigt.

Die Ergebnisse der Leistungsberechnung werden zu Kennzahlen verdichtet (z.B. „Positionen pro Stunde“,„Zeit pro Position“). Um für die Entscheidung auch monetäre Kennzahlen zur Verfügung zu stellen, besteht die Möglichkeit, die Investitionen für das modellierte Kommissioniersystem abzuschätzen. Durch eine statische und dynamische Kostenrechnung können so monetäre Kennzahlen (z.B. „Euro pro Position“) ermittelt werden.

Die Anwendung der erstellten Methode soll den Planer im Planungsprozess unterstützen. Durch das einheitliche Vorgehen bei der Bewertung von Planungsvarianten wird die Transparenz im Entscheidungsprozess erhöht. Die formale Beschreibung des Kommissioniersystems ermöglicht die Nutzung des Computers für die Berechnungen und erhöht dadurch die Planungsgeschwindigkeit. Neben dem praktischen Einsatz des analytischen Modells, ist ein Ziel des Forschungsvorhabens die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen von grundlegenden Untersuchungen von Kommissioniersystemen einzusetzen. So soll der Einfluss einzelner Planungsparameter auf die Leistung des Kommissioniersystems untersucht werden. Mit Hilfe dieser Sensitivitätsanalysen wird der Versuch unternommen, allgemeingültige Gestaltungsrichtlinien für Kommissioniersysteme zu erstellen.
Zum Beispiel wurde bereits der Einfluss der Zonenlänge beim sogenannten „Zonepicking“ in Hinblick auf die Auftrags- und Artikelstruktur untersucht. Auszüge aus den Ergebnissen sind in den Abbildungen 5 und 6 dargestellt. Durch diese Untersuchung konnte die Gegenläufigkeit der Basis- und Wegzeit quantitativ nachgewiesen werden.

Das Projekt wurde druch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.