Identifikation und Modellierung von prozessinduzierten Dämpfungen bei Werkzeugmaschinen

Die Interaktion zwischen Maschine und Prozess kann zu ungewollten Schwingungserscheinungen und sogar zu Instabilitäten wie Rattern führen. Die Folgen sind ein erhöhter Werkzeugverschleiß, unzureichende Bearbeitungsergebnisse oder Beschädigungen der Werkzeugmaschine. Um diese ungewollten Schwingungserscheinungen zu vermeiden und die Leistungsfähigkeit der Werkzeugmaschine zu steigen, ist es erforderlich, die Interaktion zwischen Maschine und Prozess simulativ mit hoher Genauigkeit zu prognostizieren.

Motivation

Der zunehmende Kostendruck auf dem Weltmarkt zwingt die Hersteller von Werkzeugmaschinen dazu, ihre Entwicklungsprozesse zu optimieren. Ein wichtiges Werkzeug in diesem Zusammenhang ist der Einsatz moderner Simulationsmethoden, mit denen das finale dynamische Verhalten der Maschine bereits in frühen Entwicklungsphasen genau prognostiziert werden kann. Die größte Herausforderung besteht dabei in der Abbildung der auftretenden Dämpfungseffekte. In der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschergruppe FOR1087 „Dämpfungseffekte in Werkzeugmaschinen“ wurde die Dämpfung in der mechatronischen Werkzeugmaschinestruktur analysiert. Anschließend wurden für die verschiedenen Dissipationsquellen prognosefähige lineare und nichtlineare Dämpfungsmodelle identifiziert. Durch die Verwendung eines geeigneten Modellierungsansatzes konnten die verschiedenen Einflussfaktoren auf die Dämpfung der mechatronischen Werkzeugmaschinenstruktur in der Simulation berücksichtigt werden. Zusammen mit den identifizieren Dämpfungsmodellen ist es so möglich, das dynamische Verhalten von Werkzeugmaschinenstrukturen mit hoher Genauigkeit zu prognostizieren. Um auch den Prozess in der Simulation mit zu berücksichtigen, werden geeignete Zerspankraftmodelle benötigt. Jedoch existieren für die aus dem Prozess stammende Dämpfung oftmals keine praktikabel anwendbaren Modelle und Parameter.

Prozessdämpfung entsteht durch die Interaktion zwischen dem Werkzeug und dem Werkstück. Dabei wird durch die Prozessdämpfung insbesondere die Prozessstabilität bei geringen Schnittgeschwindigkeiten beeinflusst. Dies spielt bei der Bearbeitung von schwer zerspanbaren Materialien wie Titan oder Nickellegierungen eine wichtige Rolle. Durch das Vernachlässigen der Prozessdämpfung werden hier die Stabilitätsgrenzen bei geringen Schnittgeschwindigkeiten fehlerhaft prognostiziert. Zudem wird durch den Prozess auch die Dämpfung in der Werkzeugmaschinenstruktur beeinflusst: Variierende Maschinenpositionen, Verfahrgeschwindigkeiten, Spindeldrehzahlen sowie Belastungen der Maschinenkomponenten verändern die Strukturdämpfung, werden aber nach dem Stand der Forschung und Technik nicht im erforderlichen Maße beachtet.

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, das Gesamtsystem bestehend aus der Struktur der Werkzeugmaschine und dem Prozess in der Simulation mit ausreichender Genauigkeit abzubilden und so, nach der Forschergruppe FOR1087, den nächsten Schritt zur virtuellen Werkzeugmaschine zu gehen. Dazu ist es erforderlich, neben der Dämpfung aus der Werkzeugmaschinenstruktur die Einflüsse aus dem Prozess zu untersuchen und mit in der Simulation zu berücksichtigen. Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur Optimierung der Werkzeugmaschine, zur Erweiterung der Stabilitätsgrenzen, zur gezielten Auslegung des Bearbeitungsprozesses und folglich zur Erhöhung des Zeitspanvolumens.

Vorgehen

In einem ersten Schritt wird untersucht, mit welchen Messmethoden Frequenzgänge während des Bearbeitungsprozesses aufgezeichnet werden können. Die Methoden werden anschließend in ihrer Eignung zur Identifikation der Einflüsse des Prozesses auf die Dämpfung bewertet. Aufbauend auf diesen Verfahren werden die einzelnen prozessinduzierten Dämpfungseffekte messtechnisch erfasst und analysiert. Unter anderem wird hierbei auch auf die Verteilung der Dämpfung innerhalb des Systems eingegangen. Diese ermöglicht eine Beurteilung der Relevanz der einzelnen Effekte, wie beispielsweise der eigentlichen Prozessdämpfung, der Dämpfung aus der Rotation der Spindel oder den Änderungen der Dämpfungsquellen in der Struktur durch den Kontakt zwischen Werkzeug und Werkstück. Für Effekte mit hohem Einfluss werden sowohl detaillierte lokale Dämpfungsmodelle als auch vereinfachte Modelle identifiziert und parametriert. Mit den detaillierten Modellen kann abschließend ein hochgenaues Gesamtmodell der Werkzeugmaschine erstellt werden, welches die gesamtheitliche Optimierung der Struktur-Prozess-Interaktion ermöglicht. Vereinfachte Modelle, welche automatisch parametriert werden sollen, ermöglichen eine schnelle, einfache und genaue Abschätzung von Stabilitätsgrenzen.

Dank

Unser Dank gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung des Forschungsprojektes (ZA 288/77-1).

Laufzeit 01.01.2020 - 31.12.2022
Förderer Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)