DELFIN - Dynamische Evaluierung von Fahrzeuginsassen

Projekttyp: Gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung

Forschungsfeld: Anthropometrische Fahrzeugauslegung

Ansprechpartner: Martin Dorynek

Projektzeitraum: 05/2019 – 04/2022

Motivation

Heutzutage ist die digitale Produktentwicklung ein fester Bestandteil vieler produzierender Industriezweige, um den Anforderungen des Marktes nach kostengünstigen, vielfältigen und zeitnahen Produktpaletten zu genügen. In der Fahrzeugbranche ist diese Technologie sehr weit fortgeschritten und unterstützt zusätzlich die digitale Produktentwicklung in der Umsetzung ergonomischer Anforderungen. Aktuell liegt hierbei der Schwerpunkt auf der ergonomischen Optimierung des Fahrerplatzes für die Durchführung der primären und sekundären Fahraufgaben (z.B. Lenken, Schalten). Für diese Gestaltung und Bewertung des Innenraums von Fahrzeugvarianten kommen digitale Menschmodelle mit dem funktionalen Fokus auf den Fahrerplatz unter Berücksichtigung der statischen Fahrerhaltung zum Einsatz.

In der Entwicklung vieler Fahrzeugarten (z.B. PKW, LKW, Flugzeug, Land- und Baumaschinen) steht zudem die Gestaltung der gesamten Kabine im ergonomischen Fokus. Ein Beispiel hierfür ist der Einstieg ins Fahrzeug, der in Abbildung 1 anhand eines LKW dargestellt ist.

Da die Insassen dynamisch mit dem Fahrzeug interagieren, sind entsprechende Bewegungsstudien für die ergonomische Absicherung notwendig. Diese werden aktuell an physischen Modellen der Kabine mit Probanden durchgeführt. Solche Tests sind jedoch sehr aufwendig und daher entsprechend zeit- und kostenintensiv.

Die Bedeutung ergonomischer Studien wird in Zukunft zunehmen, insbesondere hinsichtlich Komforts, Sicherheit und Gesundheit der Insassen, vor allem im Hinblick auf eine alternde und länger arbeitende Gesellschaft. Auf der anderen Seite wird der Zeit- und Kostendruck auf die Produktentwicklung bei steigender Anzahl von Produktvarianten weiter steigen. Daher besteht der Bedarf, diese ergonomischen Studien in den digitalen Produktentwicklungsprozess der Fahrzeughersteller zu integrieren. Hierzu ist eine Technologie für die Bewegungsprognose und -bewertung von Insassen am/im Fahrzeugmodell (digitales Mock-Up) auf Basis von digitalen Menschmodellen erforderlich, um ergonomische Aussagen über das Design in einer frühen Entwicklungsphase zu erhalten und damit Designoptimierungen effizient zu unterstützen. Diese Technologie ist jedoch bei den derzeit eingesetzten Menschmodellen noch nicht für produktive Anwendungen verfügbar, da zum einen die Prognose von realistischen Bewegungen noch einen sehr hohen manuellen Aufwand seitens des Anwenders erfordert und zum anderen die ergonomische Bewertung von Bewegungen noch nicht valide berechnet werden kann.

Zielstellung und Lösungsansatz

Das Vorgehen im Projekt zur Erreichung des wesentlichen Ziels der Simulation und Bewertung von Insassenbewegungen in der virtuellen Fahrzeugauslegung auf Basis von realen Bewegungen ist in Abbildung 2 dargestellt.

Die Bewegungsprognose beruht prinzipiell auf vorab gemessenen und ausgewerteten Bewegungen in einer Datenbank, aus der die Grundbewegung für die Simulation herangezogen wird. Da die Simulationsgüte im Wesentlichen von der Qualität der Datenbank abhängt, müssen realistische Bewegungen erfasst und deren kinematische Parameter integriert werden. Hierzu wird das ART Motion-Capture-System grundlegend weiterentwickelt, das Probanden wenig einschränkt und somit natürliche Bewegungen zusammen mit auftretenden Stützkräften exakt erfassen kann. Für die Prognose von kollisionsfreien Bewegungen werden Bewegungsdaten von Szenarien für signifikante Kollisionen in MoCap-Messungen erhoben. Die interaktive Manipulation wird die Kombination von Bewegungssequenzen und zusätzliche Mensch-Fahrzeug Restriktionen ermöglichen. Für die Bewegungsbewertung wird eine MoCap-Studie mit dynamischen Kraftmessungen durchgeführt, um die physikalischen Zusammenhänge von Bewegungen am Fahrzeug mit subjektiven Probandenbefragungen zu analysieren und daraus eine kinematische Beurteilungsmethodik abzuleiten. Die Modellierung der Bewegungen wird mit dem biomechanischen Menschmodell Dynamicus durchgeführt. Die entwickelten Prognoseverfahren und Daten werden in das anthropometrische Menschmodell RAMSIS implementiert. Die generischen Verfahren zur Modellierung und Simulation der Bewegungen können für alle Fahrzeugklassen angewendet werden. Der Lösungsansatz wird an verschiedenen Fallbeispielen aus der Fahrzeugentwicklung (PKW & LKW) validiert und optimiert werden.