Forschungsberichte

Numerische Beurteilung formgebender Folgeoperationen für tiefgezogene Karosseriebauteile

Christian Lubeseder

124 Seiten 86 Abbildungen Hieronymus Buchreproduktions GmbH, München, 2002 ISBN 3-89791-306-2

Frühzeitiges Erkennen und Lösen von Problemen bereits bei der Konstruktion von Bauteilen oder Werkzeugen reduziert einerseits die Kosten und die Zeit in der Einarbeitung von Werkzeugen, und erhöht andererseits die Prozesssicherheit während der Produktion. Entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen bei den verschiedenen Phasen im Produktentstehungsprozess hinsichtlich Beurteilungsqualität oder Antwortzeit muss für jeden Schritt eine jeweils angepasste Methodik zur Bewertung der Bauteile und das Herstellungsprozesses eingesetzt werden.

So muss ein Programm für die Frühphase des Produktentstehungsprozesses geeignet sein, zahlreiche neue Designideen und Designänderungen schnell zu bewerten ohne dabei auf vollständig auskonstruierte Werkzeugflächen zurückgreifen zu müssen, die hierbei meist nicht vorhanden sind. Für die erste formgebende Operation werden kommerzielle Programme zur Bewertung dieser Operation auf Basis der, auch nicht vollständig auskonstruierten, Bauteilgeometrie verwendet. Beispielsweise wird mit sogenannten One-Step Programmen die Herstellbarkeit von Ziehteilen beurteilt. Folgeoperationen können mit diesen Programmen nicht abgebildet werden.

Für eine Gesamtbetrachtung der Bauteile in jeder Phase des Produktentstehungsprozesses ist eine Untersuchung der formgebenden Folgeoperationen ebenso notwendig wie die der Ziehoperation. Um die formgebenden Folgeoperationen numerisch beurteilen zu können und damit eine gewünschte Beschleunigung und Optimierung des gesamten Prozesses zu erreichen, wird in dieser Arbeit eine Methodik zur Beurteilung entwickelt bzw. vorhandene Programme an die Anforderungen der Folgeoperationen angepasst und so eine bedarfsgerechte Beurteilung von formgebenden Folgeoperationen ermöglicht.

Hierfür werden zunächst aus der Vielzahl möglicher Operationen beispielhaft kritische ausgewählt. Das rotationssymmetrische Kragenziehen und das Abstellen von Flanschen in konkaven Ecken werden als Beispiel für Operationen ausgewählt für deren FE-Simulation die gleichen Elemente wie für die Ziehoperation verwendet werden können. Die dabei erarbeiteten Vorgehensweisen können auch auf andere Folgeoperationen, wie beispielsweise das Nachschlagen von Radien übertragen werden. Das Bördeln wird als Beispiel für Operationen ausgewählt für deren Modellierung die in der Ziehoperation verwendeten Schalenelemente nicht mehr ausreichend genau sind.

Bedarfsgerechnet an die Erfordernisse jeder der drei untersuchten formgebenden Folgeoperationen gliedert sich die Arbeit in die Punkte:

  • Bewertung in der Frühphase
  • Bewertung während der Prozessoptimierung
  • Durchführung von Versuchen
  • Validierung
  • Erschließung für den Anwender

In der Frühphase wird für das rotationssymmetrische Kragenziehen und das Abstellen von Flanschen konkaver Ecken die Herstellbarkeit beurteilt, ohne dass Werkzeuge konstruiert sind. Bei Berücksichtigung nur eines kritischen Bereichs mit charakteristischen Geometriemerkmalen, die durch wenige Parameter beschreibbar sind, können zahlreiche Vereinfachungen des Modells vorgenommen werden. Dadurch verringert sich die Komplexität und damit der zur Lösung erforderliche Rechenaufwand. Somit wird mit einer solchen Möglichkeit eine zeit- und kostengünstige Durchführung umfangreichen Parameteruntersuchungen ermöglicht.

In der Prozessoptimierung werden auf Basis der Werkzeugflächen FEM-Berechnungen durchgeführt. Ein bereits für die Simulation der Ziehoperation verwendetes FEM-Programm (PAM-STAMP) auf Basis der Schalentheorie wird hinsichtlich der Genauigkeit seiner Ergebnisse untersucht, um einerseits die in dieser Arbeit entwickelte vereinfachte Berechnungsmethode nachzuprüfen und andererseits seine Verwendbarkeit im Produktivbetrieb nachweisen zu können. Für andere Programme hat die Methodik gleichermaßen Gültigkeit. Da aufgrund der großen Biegung beim Bördeln Schalenelemente für die Simulation nicht geeignet sind, wird der Vorgang unter Verwendung von Kontinuumselementen simuliert um die Bördelzugabe zu bestimmen.

Für jede der drei untersuchten formgebenden Folgeoperationen werden Versuche durchgeführt und die Formänderung gemessen. Aufgrund eines hohen Gradienten der Formänderung im untersuchten Bereich wird eine neue Methodik zur Messung auf gekrümmten Flächen entwickelt. Zum Zwecke der Validierung werden die gemessenen Ergebnisse den berechneten Werten gegenübergestellt und bewertet.

Um den Anwender die neu entwickelte Methodik bzw. kompliziert zu bedienende FEM-Programme zugänglich zu machen wird ein selbstständiges Programm entwickelt, das über eine einfache Oberfläche von jedem Konstrukteur ohne tiefere Kenntnis von Simulationsprogrammen bedient werden kann.