Forschungsberichte

Simulationsgestützte Prozessoptimierung beim horizontalen Stranggießen von Kupfer-Zinn-Legierungen

 

Thomas Korbinian Siggenauer

126 Seiten 0 Abbildungen Hieronymus Buchreproduktionsverlag, München, 2004 ISBN 3-89791-339-9

In dieser Arbeit wurde ein bestehendes Simulationssystem erweitert und mit Hilfe von Gießversuchen verifiziert. Für die Anwendung der Simulation wurde eine Methodik entwickelt, um zukünftig mit Hilfe weniger Vorversuche optimale Prozessparameter für die jeweils relevante Halbzeugqualität zu ermitteln.

Durch Gießversuche mit einer praxisnahen Kokillenkonstruktion wurden mit Hilfe von Temperaturmessungen die Einflüsse unterschiedlicher Prozessparameter auf die Abkühlbedingungen stranggegossener Bänder aus CuSn6 untersucht. Die Temperaturmessungen an allen Trennfugen in der Kokillenkonstruktion ermöglichte die Bewertung der jeweiligen Wärmeübergangsbedingungen in Anhängigkeit von Luftspaltbildungen und diente der späteren Verifizierung der Stranggießsimulation.

Zusätzlich wurden die Schmelzetemperatur, die Bandaustrittstemperatur, die Kühlwassertemperaturen sowie der Kühlwasservolumenstrom erfasst. Dadurch konnten die Grenzen der Anlagenleistung, die Kühlleistung und ein Maß für die Wärmeabfuhr vom Strang innerhalb und außerhalb der Kokille (Wärmeabfuhrverhältnis) anhand einfacher Beziehungen ermitteln werden.

Durch die Variation der Betriebsart (Go-Stop-Back und hochzyklisch) bei unterschiedlichen Gießgeschwindigkeiten wurden bessere Wärmeübergangsbedingungen zwischen dem erstarrendem Strang und der Graphitkokille bei höherer Gießfrequenz festgestellt.

Bei der Untersuchung von Zinnseigerungen im Band zeigte es sich, dass nur die Bandaustrittstemperatur einen direkten Einfluss auf ihr Ausmaß hat. Maßgebend sind die thermischen Vorgänge während der Erstarrung im Band. Außerdem wurden unterschiedlich ausgeprägte Zinnanreicherungen an der Bandoberseite und -unterseite gemessen. Dafür sind die unsymmetrischen Abkühlbedingungen beim Horizontalstranggießen verantwortlich.
 In Zusammenarbeit mit dem Softwarehersteller wurde die Stranggießsimulationssoftware weiterentwickelt und für das horizontale Stranggießen nutzbar gemacht. So konnte der Einfluss der Gravitation (unsymmetrische Abkühlbedingungen) und unterschiedliche Abkühlbedingungen durch die Variation der Gießfrequenz virtuell nachgebildet werden. Zusätzlich wurde eine Eingabemöglichkeit für lokal definierbare Wärmeübergangskoeffizienten zwischen Graphitkokille und Kühler geschaffen. Basierend auf den Temperaturmessungen und der Weiterentwicklung der Software wurden die Wärmeübergangskoeffizienten durch Variationsrechnungen iterativ optimiert.
 Durch diese Arbeit steht ein Simulationswerkzeug zur Verfügung, mit dem messtechnisch nicht erfassbare thermische Vorgänge im Band während des Erstarrungsprozesses realitätsnah berechnet werden können. Es zeigt sich, dass mit sinkendem Temperaturgradienten an der Erstarrungsfront der Zinngehalt an der Bandoberfläche steigt.
 Mit den Erkenntnissen aus den Gießversuchen, der Messung der Zinnseigerungen im Halbzeug und den Simulationsergebnissen wurde ein Nomogramm entwickelt, mit dessen Hilfe die Anzahl der Vorversuche zur Ermittlung optimaler Prozessparameter stark reduziert werden kann.
 Basierend auf dem vorliegendem Anlagenkonzept (Kokillenkonstruktion, Gusslegierung usw.) und der Berechnung des Temperaturgradienten an der Erstarrungsfront kann das Ausmaß der zu erwartenden Zinnseigerung im Bereich der Bandoberfläche ohne weitere Versuche mit dem Nomogramm ermittelt werden.

Ausgehend von vorgegebenen Prozessparametern und dem resultierenden Wärmeabfuhrverhältnis, kann der Temperaturgradient an der Erstarrungsfront und im weiteren der Zinngehalt abgelesen werden. Ferner kann von der angestrebten Halbzeugqualität (hier der Zinngehalt) auf das Wärmeabfuhrverhältnis und die nötigen Prozessparameter geschlossen werden. Das Nomogramm ermöglicht außerdem eine schnelle Ermittlung der für eine bestimmte Bandaustrittstemperatur (oder Gießgeschwindigkeit) nötigen Prozessparameter sowie der jeweiligen resultierenden Zinngehalte an den Bandoberflächen.