Forschungsberichte

Gestaltung der Werkzeugwirkflächen für das hydromechanische Umformen flacher Ziehteile

Matthias Kerschner

142 Seiten 0 Abbildungen Hieronymus Buchreproduktionsverlag, München, 2004 ISBN 3-89791-338-0

In dieser Arbeit wurde die Gestaltung der Werkzeugwirkflächen für das hydromechanische Umformen mit Vorformen (HMU) flacher Ziehteile betrachtet um die Fertigung schwach konturierter Bauteile mit geringer Ziehtiefe, guter Maßgenauigkeit und hoher mechanischer Festigkeit zu realisieren.
 Für Richtlinien der Gestaltung der Ziehanlage wurden der Vorform- und Ziehvorgang mittels FE-Umformsimulation abgebildet. Dabei wurden verschiedene Werkzeuggeometrien untersucht und der Einfluss der wichtigsten geometrischen Größen auf den Umformzustand ermittelt. 

Vorformen:

  • Die geometrische Form des Stempeldurchgangs legt den Formänderungszustand fest. (gerader Verlauf: ebener Dehnungszustand; kreisrunde Form: gleichmäßiger Streckzug; alle anderen Geometrien liegen dazwischen.)
  • Der höchste Punkt der Vorformgeometrie liegt im lnkreismittelpunkt des Stempeldurchgangs.
  • Die Gestalt des Bauteils im Schnitt zwischen lnkreismittelpunkt und Berührpunkt von Stempeldurchgang und Inkreis hat die Form eines Kreisbogens. 
  • Die maximal mögliche Vorformhöhe ist direkt proportional zum lnkreisradius des Stempeldurchgangs. Sobald das Blech den Stempel berührt, wird die Formänderung behindert. Durch Vorformen gegen den Stempel kann die Formänderung außerhalb der Bauteilmitte erhöht sowie die Oberflächenvergrößerung begrenzt werden.
  • Weiterhin wurde der Einfluss des Blechhalterradius sowie der Bauteilkrümmung und lokaler Formelemente untersucht.

Ziehvorgang:

  • Mit größerem Stempelrückstand steigt die Ausbildung von Druckspannungen im Bauteil.
  • Mit steigendem Abstand zwischen Bauteil und Stempeldurchgang sinken die Flächenanteile mit Druckspannungen im Bauteil.
  • Durch die Geometrie des Stempeldurchgangs, insbesondere der Krümmung und der Eckenradien, kann die Bildung von Druckspannungen während des Ziehvorgangs vermindert werden.
  • Erst bei starken Neigungswinkeln der Bauteilflächen gegenüber der Blechhalterebene und geringen Krümmungsradien der Bauteilbombierung unterstützt die Bauteilkontur den Zugspannungszustand.
  • Bei üblichen Neigungen unter 20° und Krümmungsradien über 1000 mm hat die Geometrie des Bauteils nahezu keinen Einfluss auf den Spannungszustand.
  • Kommt das Blech während des Ziehens mit der Ankonstruktion in Kontakt, entstehen Druckspannungen im Bauteil. Die erreichbare Ziehtiefe kann durch die Ankonstruktion erhöht werden.
  • Nur bei einer verfahrensgerechten Gestaltung der Werkzeug-Geometrie zeigt sich eine Zunahme des Zugspannungszustands in Abhängigkeit des Wirkmediumdrucks. Ein höherer Wirkmediumdruck allein verschiebt lediglich den Aufbau von Druckspannungen.
  • Das Vorformen gegen den Stempel kann das Auftreten von Druckspannungen beim Ziehen nicht vermeiden.

Entwickelte Methodik zur Gestaltung einer verfahrensgerechten Ziehanlage:

  • Definition von charakteristischen Bauteilbereichen
  • Festlegen der generellen Form des Stempeldurchgangs
  • Abschätzen der notwendigen Vorformhöhe
  • Iterative Ermittlung des Abstands zwischen Bauteil und Stempeldurchgang für jeden Bauteilbereich
  • Festlegung des Stempelrückstands
  • Festlegung des Wirkmediumdruckverlaufs
  • Ermittlung der Ziehtiefe
  • Gestaltung der Ankonstruktion

Die letzten fünf Schritte sind mittels FE-Umformsimulation zu überprüfen und die Konstruktion ist gegebenenfalls in Iterationsschleifen anzupassen.

Bei Versuchen wurde die Qualität konventionell gezogener Bauteile erreicht. Die Vergleichsformänderung der hydromechanisch gezogenen Teile erreicht in der Bauteilmitte den doppelten Wert, was eine erhöhte Beulfestigkeit bewirkt.
 Die Bauteilqualität bei HMU hängt maßgeblich von der Werkzeuggestaltung ab. Diese unterscheidet sich grundsätzlich von der für das konventionelle Ziehen mit starrem Stempel und Matrize. 
 Im Hinblick auf stark konturierte Formelemente könnten eingehendere Untersuchungen des Werkzeugeinflusses auf Bauteile mit hohem Tiefziehanteil weitere Anwendungsgebiete des Verfahrens erschließen.