Modulare Materialflusssysteme für wandelbare Fabrikstrukturen

Zunehmende Verkürzungen der Produktlebenszyk­len in Verbindung mit einem hohen Innovations­druck im Bereich der Produktionstechnologien, der Trend zur Fertigung kundenindividueller Produkte und damit gekoppelt eine hohe Variantenvielfalt erfordern eine schnelle und effiziente Anpassung der physischen Logistiksysteme hinsichtlich Größe, Funktion und Strukturen auf die veränderten Rah­menbedingungen. Demgegenüber stehen langfristi­ge Planungs- und Finanzierungshorizonte für Ge­bäude und technische Einrichtungen. Der klassische Planungsansatz - Auslegung einer Fabrik (Gebäu­de, technische Einrichtungen, usw.) für ein großteils konstantes Produkt- und Produktionsspektrum, so­wie ein Planungshorizont von max. 5 bis 10 Jahren - ist für die genannten Veränderungen der Marktsituation in vielen Fäl­len nicht mehr an­wendbar.

Darüber hinaus se­hen immer weniger Firmen in automati­sierten Produktions­einrichtungen einen wirtschaftlichen Nutzen. Aufgrund kleiner werdender Seriengrößen und unzureichender Flexibilität bei den Kapazitäten lassen sich bestehende Anlagen nicht mehr wirtschaftlich auslasten. Die automati­sierten Anlagen, die in den vergangenen Jahrzehn­ten geplant worden sind, entsprechen nicht mehr im vollen Umfang den heute geforderten Flexibilitätsan­forderungen.

Im Hinblick auf die geänderten Anforderungen be­darf es also zukunftsweisender Ansätze in der Mate­rialflusstechnik und Logistik, um wandelbare Materi­alflusssysteme zu generieren, die wirtschaftlich zu betreiben sind und gleichzeitig eine hohe Verfüg­barkeit durch Reduzierung der Komplexität gewähr­leisten. Ein wesentlicher Bausstein auf den Weg zu der erforderlichen Wandelbarkeit stellen modular aufgebaute Fabrikstrukturen dar. Da immer mehr, auch vor allem klein- und mittelständisch produzie­rende Unternehmen in diesem turbulenten Umfeld agieren müssen, wurde am Lehrstuhl fml das For­schungsprojekt „Modulare Materialflusssysteme für wandelbare Fabrikstrukturen (MoMa)" gestartet.

Ziel des Vorhabens MoMa ist die Entwicklung modular aufgebauter, skalierbar automatisierter Materi­alflusssysteme für flexible, wandelbare Fabrikstruk­turen für den innerbetrieblichen Behältertransport. Hierzu sollen materialflusstechnische Module entwi­ckelt werden, die über standardisierte mechatronische Schnittstellen verfügen, mit denen diese sich einfach in ein wandelbares Gesamtsystem einbin­den lassen. Diese materialflusstechnischen Module stellen eigenständige Funktionseinheiten dar. Sol­che Funktionseinheiten können einzelne Ferti­gungsstationen, einzelne Montageplätze aber auch komplette Montagebe-reiche einer Baugruppe bein­halten. Darüber hinaus soll der modulare Ansatz auch auf andere Bereiche des innerbetrieblichen Materialflusses, z.B. Lager, Kommissionierung, übertragen werden. Die Ausprägung der Module bzw. der Modulgrenzen richtet sich nach den Anforderungen der Flexibilität.  

Ein Modul verfügt über eine mechanische, eine elektrische und eine informationstechnische (mechatronische) Schnittstelle. Über die mechanische Schnittstelle werden die Behälter physikalisch mittels entsprechender Materialflusstechnik an andere Module weitergegeben. Die Stromversorgung und die physikalische Datenübertragung finden über die elektrische Schnittstelle statt. Damit das Modul mit weiteren Modulen des Gesamtsystems wie auch mit dem menschlichen Bediener kommunizieren kann, verfügt es über eine informationstechnische Schnittstelle. Um die geforderte Wandelbarkeit des Gesamtsystems, in dem Module entfernt, bzw. verändert werden können, zu erreichen, muss diese Schnitt stelle des Moduls standardisiert sein. Da jedes Mo­dul eine abgeschlossene Funktionseinheit darstellt und somit unabhängig vorab getestet und in Betrieb genommen werden kann, lassen sich die Inbetrieb­nahmezeiten der Module bzw. des Gesamtsystems verkürzen und somit wertvolle Produktionsausfälle vermeiden.

Von der Erstellung von geeigneten Referenzszena­rien bis hin zum Aufbau eines Baukastens zur Ges­taltung modularer Materialflusssysteme sollen aus der engen Zusammenarbeit mit den Industriepart­nern möglichst viele praxisrelevante Aspekte in das Forschungsprojekt einfließen. Dabei werden folgen­de Punkte während der Durchführung des Projektes näher betrachtet:

  • Ausarbeiten von Referenzszenarien.
  • Rahmenbedingungen und Anforderungen an modulare Materialflusssysteme.
  • Moduldefinition: Strukturierung der Fabrik in Module.
  • Gestaltungsrichtlinien für den inter- und innermodularen Materialfluss.
  • Gestaltung und Standardisierung der Modulschnittstellen.
  • Systematische Bewertung modularer Material­flusssysteme.

Die Ergebnisse der Arbeitspakte sollen direkt in den Aufbau eines Modulbaukastens fließen, in dem alle für die Gestaltung eines Materialflusssystems rele­vanten Module aufgelistet sind. Mit Hilfe dieser Bau­kastenstruktur steht somit nicht nur dem Planer ein Hilfsmittel zur einfachen Planung bzw. Umplanung zur Verfügung, sondern überdies hinaus sind durch den modularen Aufbau mit standardisierten Schnittstellen kurze Inbetriebnahme- und Umbauzeiten gewährleistet. Die Praxistauglichkeit des Baukas­tens soll anhand von Pilotprojekten bei den beteilig­ten Firmen nachgewiesen.

 

Das IGF-Vorhaben 14021N/1 der Forschungsvereinigung Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.