Pick-by-Vision®

Augmented Reality unterstützte Kommissionierung

Ziel des Projekts ist die benutzeroptimale Informationsbereitstellung mit Hilfe einer durch den Kommissionierer zu tragenden Datenbrille, in der in Abhängigkeit von Ort, Zeit, Blickfeld sowie dem Stand der Auftragsbearbeitung alle relevanten Daten zur fehlerfreien Durchführung der Kommissionieraufgabe visuell dargeboten werden. Das neuartige Kommissioniersystem soll intuitives und freihändiges Arbeiten ermöglichen, bezüglich ergonomischer und arbeitswissenschaftlicher Aspekte optimal an den Benutzer angepasst sein, über eine einfache Kommunikationsschnittstelle zur Dateneingabe durch den Kommissionierer verfügen, in seiner Anwendung leicht erlernbar sein und den Anforderungen im industriellen Umfeld genügen.

Augmented Reality (AR, erweiterte Realität) ist ein Teilbereich der Virtual Reality. Unter AR wird die Überlagerung bzw. Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung um rechnergenerierte virtuelle Informationen verstanden. Meist wird damit nur der visuelle Sinn angesprochen, indem dem Benutzer Informationen in seinem Sichtfeld kontextbezogen, d.h. zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, bereitgestellt werden. Die reale und die virtuelle Welt werden dabei derart kombiniert, dass der Benutzer die neugeschaffene, dreidimensionale Umgebung als eine Einheit interpretiert und er mit ihr in Echtzeit interagieren kann. Die virtuellen Objekte dienen als zusätzliche, nicht mit den menschlichen Sinnen erfassbare Informationen, damit der Anwender seine reale Arbeitsaufgabe besser ausführbar kann.

Die AR-Technologie bietet eine Vielzahl von Einsatzfeldern, die von militärischen Anwendungen über die Medizintechnik oder die Architektur bis in die Industrie, z.B. Qualitätssicherung, Prototypenbau, Service und Wartung oder Montage, reichen. In der Logistik gibt es ebenfalls interessante Einsatzfelder. Eines davon ist die Kommissionierung.

Zu Beginn des Projekts wurden systematisch mögliche Einsatzszenarien und Auswirkungen auf den Kommissionierprozess sowie die daraus resultierenden Anforderungen an ein Augmented Reality unterstütztes Kommissioniersystem erarbeitet. Pick-by-Vision® eignet sich dabei vor allem für konventionelle Kommissioniersysteme nach dem Mann-zur-Ware-Prinzip, aber auch zur Kommissionierung entlang einer Regalzeile oder an stationären Kommissionierarbeitsplätzen. Der Kommissionierprozess an sich ändert sich gegenüber anderen beleglosen Kommissioniersystemen nicht. Nach diesen grundlegenden Untersuchungen erfolgte die Auswahl der wichtigsten Hard- und Softwarekomponenten. Bei der Datenbrille, der für die Benutzerakzeptanz entscheidenden Mensch-Maschine-Schnittstelle, erwies sich ein monokulares Virtual Retinal Display, das das Bild mit einem schwachen Laser direkt auf die Netzhaut projiziert, als beste Lösung. Als Interaktionsgeräte werden die Sprachsteuerung oder ein Dreh-/Drückknopf eingesetzt. Damit die virtuellen Informationen lagerichtig im Raum angezeigt werden können, ist ein Trackingsystem notwendig, das die Position und die Blickrichtung des Benutzers erfasst. Für den Anwendungsfall in der Kommissionierung eignen sich vor allem optische Verfahren, die sich ggf. mit einem Inertialtracker kombinieren lassen. Bei der Software wird auf ein Warehouse Management System und AR-Software der Projektpartner gesetzt.

Nach der Auswahl der geeigneten Hardware- und Softwarekomponenten wird eine Benutzerschnittstelle speziell für die ausgewählten Anwendungsfälle konzipiert. Darunter sind die Darstellung mittels einer Datenbrille und die Menge der dem Kommissionierer dargebotenen Informationen und die Interaktionsmöglichkeiten des Benutzers mit dem System, z.B. für die Quittierung der Entnahme eines Artikels, zu verstehen. Mit diesen Ergebnissen wurde gemeinsam mit der CIM GmbH ein erstes Funktionsmuster ohne den Einsatz eines Trackingsystems entwickelt. Dabei werden nur Informationen in Textform dargestellt. Die Interaktion erfolgt mit Spracheingaben. Sprache ist für den Menschen die natürlichste Form, Informationen weiterzugeben und er hat dazu beide Hände für seine eigentliche Tätigkeit frei. Dieses erste Funktionsmuster wurde mehrmals evaluiert und iterativ optimiert. Die Evaluationen fanden in der Versuchshalle des Lehrstuhls fml und in einem Distributionszentrum der Kühne+Nagel (AG & Co.) KG statt. Mit einer MTM-Analyse erfolgte eine theoretische Betrachtung des Pick-by-Visions-Systems in Vergleich zu einer Papierliste und einem Pick-by-Voice-System. Zusammen mit dem Fachgebiet für Augmented Reality (FAR) der TU München wurde ein zweites Funktionsmuster unter Einsatz eines optischen Trackingsystems und mit einem Dreh-Drückknopf umgesetzt. In mehreren Voruntersuchungen im Labor des FAR wurden verschiedenste virtuelle 3D-Geometrien zur Wegfindungen und zur Unterstützung des Greifvorgangs getestet. Nach der Portierung des Systems in die Versuchshalle des Lehrstuhls fml erfolgte erneut eine Evaluierung mit einem Probandenprogramm.

In den Versuchsreihen zeigten beide Funktionsmuster Potenziale, die Kommissionierung zu verbessern. Vor allem die Kommissionierfehlerquote wird durch eine strikte Prozessführung und durch das Einblenden der Daten in das Blickfeld des Benutzers reduziert. Heben virtuelle Geometrien den Lagerplatz direkt hervor, ist der mentale Aufwand gering und die Fehlerquote niedrig, weil keine Lagerplatzbezeichnung in Textform mehr vom Informationsbereitstellungsmedium in die reale Umgebung transformiert werden muss. Die Kommissionierzeiten waren gegenüber einer Papierliste, aber auch gegenüber einem einfachen Pick-by-Voice-System etwas geringer. Dies lag daran, dass die Papierliste nicht gehandhabt und kein sequentielles Ausgeben der Informationen erfolgte. Der  Unterschied ist nicht signifikant, aber bei Pick-by-Vision® ist eine sehr steile Lernkurve zu erkennen. Neben den logistischen Kennzahlen wurde die subjektive Beanspruchung der Probanden ermittelt. Diese war in allen Versuchsreihen absolut und im Vergleich zu einer Papierliste relativ gering. Die Probanden äußerten kaum Beschwerden, arbeiteten gerne und motiviert mit Pick-by-Vision®. Alle Versuchsreihen umfassten nur ein kurzzeitiges Tragen der Datenbrille, so dass weitere und länger andauernde Untersuchungen nötig sind.

  • metaio GmbH
  • CIM GmbH
  • Ludwig Meister GmbH & Co. KG
  • Kühne+Nagel (AG & Co.) KG
  • Avon Cosmetics GmbH
  • Keller und Kalmbach GmbH
  • Jungheinrich AG
  • Adolf Würth GmbH & Co KG
  • LCALL Logistik Consulting Allgayer
  • Miebach Consulting GmbH
  • MTU Aero Engines GmbH & Co. KG
  • Hörmann Logistik GmbH
  • SEP Logistik AG
  • VW AG
  • u.v.a.m.

in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet für Augmented Reality der TUM

 

Dieses Forschungsvorhaben (AiF-FV-Nr. 14756 N/1) wurde im Auftrag der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL) durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V. (AiF) gefördert.