Forschungsberichte

Simulationsgestützte Untersuchung der Werkzeugbelastung beim Tiefziehen höchstfester Stähle

Dominik Schneider

89 Seiten 0 Abbildungen Hieronymus Buchreproduktions GmbH, München, 2008 ISBN 978-3-89791-376-9

Die Umformung höchstfester Stähle stellt hohe Anforderungen an die Umformtechnik. Aufgrund höherer Werkzeugbelastungen sind entsprechende konstruktive Maßnahmen zur betriebssicheren Werkzeugauslegung erforderlich. In dieser Arbeit werden Untersuchungen der Werkzeugbelastung beim Tiefziehen vorgenommen. Dabei werden die wichtigsten Einflussparameter auf die Werkzeugbelastung herausgestellt, und gängige Werkzeugkonstruktionen hinsichtlich ihrer Schwachpunkte untersucht. Zur Analyse der Belastungen sind mechanische und thermische FEM-Simulationsmodelle entwickelt worden. Die Simulationsergebnisse sind anhand geeigneter Experimente verifiziert worden. Optimierungsbeispiele zeigen Potenziale der Werkzeuggestaltung zur Reduzierung ihrer Belastung.

Bei den mechanischen Untersuchungen liegt der Fokus auf Kontaktflächenpressungen in der Wirkfuge zwischen Blech und Werkzeug und auf Spannungen im Werkzeuginneren. Optische Vermessungen an Rechteckmatrizen zeigen eine gute Korrelation von Zonen erhöhten Verschleißvolumens zu berechneten Kontaktdruckextrema und bestätigen damit die Funktionalität der FEM-Modelle. Verschleiß kann konstruktiv z.B. dadurch vermieden oder reduziert werden, indem an Stellen erhöhten Kontaktdrucks ein verschleißresistenter Kontaktpartner eingesetzt wird. Um die Steilen des Verschleißes zu prognostizieren, wird in einer Simulation der Kontaktdruck zwischen Blech und Werkzeug bestimmt. Unter Verwendung gängiger Kontaktalgorithmen, sind hierbei die Möglichkeiten der FEM weitestgehend ausgeschöpft. Zur Prognose des Verschleißvolumens sind aufbauend hierauf noch weitere Aspekte wie Reibmodelle zu erforschen.

Der Einsatz von verschleißbeständigeren Materialien im Kontakt führt, unter den Randbedingungen von Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit, zu einer segmentierten Bauweise von Werkzeugen. Die Spannungen im Werkzeuginneren sind deswegen anhand eines segmentierten Realwerkzeugs zum Tiefziehen einer B-Säule aus höchstfesten Stahl berechnet worden. Kritische Spannungen im Kerbbereich zwischen den Segmentauf- und -anlageflächen können im Wesentlichen durch drei konstruktive Maßnahmen gesenkt werden: So führt erstens eine lastpfadoptimale Struktur des Werkzeuggestells, ermittelt durch eine numerische Topologieoptimierung, zu einer sehr homogenen Aufnahme der Querkräfte. Zweitens kann durch eine verbesserte Kerbgestaltung die Spannung zusätzlich um bis zu 40% gesenkt werden. Drittens ermöglichen unkonventionelle Segmentierungen eine Kompensation der Querkräfte, so dass diese nicht komplett vom Werkzeuggestell aufgenommen werden müssen.

Im Vergleich zur konventionellen Werkzeuggestaltung (scharfe Kerbe, C-ProfilGestell) lässt sich durch Anwendung dieser Maßnahmen eine erhebliche Reduzierung der Belastung im Werkzeuggestell erreichen. Wenn durch diese Maßnahmen noch keine ausreichende Betriebsmittelsicherheit unter Verwendung von konventionellem Grauguss (z.B. GJL-250) erreicht wird, kann die Auswahl eines zugbelastbaren Werkstoffs die Sicherheit erhöhen. Insbesondere die allein vom Werkzeug aufzunehmenden Querkräfte sollten für jede Umformgeometrie zumindest überschlägig berechnet werden, da diese für Kerbspannungen in Matrizen in Segmentbauweise entscheidend sind.

Bei den thermischen Berechnungen liegen die Schwerpunkte auf der Berechnung der Oberflächentemperatur und auf der Bestimmung des Temperaturfeldes im Werkzeuginneren. Die Funktionalität der verwendeten FEM-Modelle konnte anhand ihrer Erwärmungs- und Abkühlverhalten im Vergleich mit infrarotthermographischen Aufnahmen am Rechtecknapf-Werkzeug verifiziert werden. An der Werkzeugoberfläche sind Temperaturen bis über 100°C berechnet worden. Dies ist insofern kritisch, als gängige Schmierstoffe bei einer Temperaturerhöhung mit einer Abnahme ihrer Viskositäten reagieren. Der Reibzustand neigt dann örtlich verstärkt zu Festkörperreibung. Dies kann zu Prozessinstabilitäten und verstärktem Verschleiß führen. Weiter lässt sich beobachten, dass die Temperatur in den untersuchten Serienprozessen um ca. 40% (bezogen auf °C) im Vergleich zum Einzelhub ansteigt. So ist bei thermisch empfindlichen Prozessen eine Werkzeugeinarbeitung mit wenigen einzelnen Hüben möglicherweise nicht repräsentativ für eine Serienabpressung. Simulationen zeigen, dass die Temperaturen im Werkzeuginneren nicht kritisch sind. Die lokal unterschiedlichen Wärmeausdehnungen sorgen nur für geringfügige mechanische Spannungen.