Konfigurationsauswahl für automatische Lagersysteme

Automatische Lagersysteme erlangen gerade im Bereich der Kleinteilelagerung aufgrund der stetig sinkenden Sendungsgröße steigende Bedeutung. In diesem von der AiF geförderten Forschungsprojekt sollen vereinfachte Verfahren zur Durchsatzberechnung für solche Systeme entwickelt werde, die eine schnelle Auslegung der Lagerkonfiguration und Betriebsstrategien unterstützen.

Lagersysteme mit komplexeren Konfigurationen, wie zum Beispiel doppelttiefe Lager mit doppelttiefen Lastaufnahmemitteln, finden gerade im Bereich der Behälterlager vermehrt Einsatz. Lagerorganisation und -strategie spielen bei diesen Systemen eine entscheidende Rolle für die tatsächlich erreichbaren Spielzeiten und Durchsätze. Ziel des Forschungsprojekts ist die Erarbeitung einer standardisierten Berechnungsvorgehensweise zur Ermittlung der Durchsatzleistung automatischer Lagersysteme. Diese Berechnungsmethode basiert auf Kennfeld- und Kennzahlensystemen, die die Durchsatzleistungen und Spielzeiten für eine große Anzahl an Konfigurationen von automatischen Kleinteile- und Palettenlagern enthalten und so eine schnelle und genaue Auslegung geplanter Systeme erlauben.

Die Durchsatzberechnung von Hochregallagern ist seit fast vier Jahrzehnten fester Bestandteil der Forschung auf dem Gebiet der Logistik. Angeregt wird die Forschung durch die fundamentale Bedeutung des Durchsatzes bei der Lagersystemplanung. Ein weiteres Motiv sind die mit der geforderten Umschlagleistung des Lagersystems steigenden sehr hohen Investitions- und Be-triebskosten bei der Lagertechnik. Um die benötigte Durchsatzleistung zu erreichen, aber gleichzeitig eine Überdimensionierung und damit zu hohe Kosten zu vermeiden, bedarf es der genauen Kenntnis der Leistungsfähigkeit des geplanten Lagersystems. Durch die Vielfalt der beteiligten Einflussgrößen ist eine große Bandbreite an internationalen Veröffentlichungen entstanden, die den Einfluss eines bestimmten Parameters oder von Parameterkombinationen auf die mittlere Spielzeit untersuchen.
Für die einfachtiefe Lagerung wurden die wesentlichen Einflussgrößen auf Durchsatz und Spielzeiten bereits umfassend wissenschaftlich bearbeitet. Durch die Vielzahl der beteiligten Einflussgrößen und die Komplexität der Zusammenhänge erscheint eine komplette Abdeckung aller technischen Lagervarianten in Kombination mit einer intelligenten Lagerorganisation in einem mathematischen Modell jedoch als unmöglich.

Bei großen Abweichungen von der einfachen Lagervariante bestehen, vor allem in Verbindung mit einer intelligenten Lagerorganisation, bislang nur wenige Vorschläge zur Berechnung der Umschlagleistung. Vor allem auch lagerstrategische Einflüsse, wie z.B. Schnellläuferzonen, werden dabei nicht berücksichtigt.

Für komplexe Kombinationen aus Lagertechnik und Lagerorganisation, wie z.B. der vor allem im Kleinteilebereich häufige Fall der doppelttiefen Lagerung bei doppelttiefem Lagergang und einer umschlagsbasierten Lagerplatzvergabe, fehlt bislang jegliche Berechnungsgrundlage für eine Bestimmung der Umschlagsleistung.

Zu Beginn des Projekts werden die lagerbestimmenden Parameter festgelegt und so das Zielsystem für die zu erarbeitenden Kennzahlen festgelegt. Basierend auf diesen Parametern wird ein Simulationsmodell erstellt, das es durch seinen modularen Aufbau ermöglicht, in Simulationsexperimenten einen weiten Bereich variierbarer Parameter abzudecken. Nach der Erstellung, Validierung und Verifikation des Modells folgt die Phase der Experimentierung, bei der eine möglichst große Anzahl an Parameterkombinationen untersucht werden soll. Aus den dabei gewonnenen Daten werden schließlich Kennzahlensysteme entwickelt. Diese Kennzahlen ermöglichen einen schnellen Vergleich verschiedener möglicher Lagersystemkonfigurationen und somit eine schnelle Auslegung des geplanten Systems.

Eine ganzheitliche Planungshilfe für automatisierte Lagersysteme, die sowohl alle technischen als auch organisatorisch sinnvollen Systemvariationen miteinbezieht, gibt es bisher nicht. So werden Lagersysteme oft durch Erfahrungswerte der beteiligten Planer aus vorangegangenen Projekten konzipiert. Die Tatsache, dass sich Umschlagleistungen durch intelligente Lagerorganisationen erhöhen lassen, ist zwar bekannt, aber gleichzeitig sehr schwer für alle technischen Konfigurationen quantifizierbar. Daher werden sie in den seltensten Fällen in den Planungsüberlegungen bei einer Konzeptentscheidung miteinbezogen. Neben den technischen und organisatorischen Einflussgrößen wird die Planungsaufgabe durch die schnellen Veränderungen des Marktes und den sich dadurch schnell verändernden Randbedingungen erschwert.

Nur wenn möglichst viele Szenarien potenziellen zukünftigen Entwicklungen in die Systementscheidung miteinbezogen wird, ist es möglich, das für den Betreiber langfristig wirtschaftlichste Lagersystem auszuwählen. Gerade durch die sehr hohen Investitionskosten und die lange Amortisationszeit ist es wichtig, bei einer auf lange Zeit bestimmenden Investitionsentscheidung langfristige Aspekte des Unternehmens mit zu berücksichtigen. Dies ist nur dann möglich, wenn die genaue Betrachtung mehrerer Lagersystemvarianten nicht zu einer Kostenexplosion in der Planungsphase führt. Deshalb muss das Ermitteln der entsprechenden Durchsatzleistungen aufwandsarm erfolgen.

In diesem Forschungsprojekt werden automatische Lagersysteme in einer parametrierbaren Materialflusssimulation modelliert. Sowohl die verschiedenen technischen Lagerkonfigurationen als auch die verschiedenen Möglichkeiten der Lagerorganisation (z.B. Lagerzonierung für Schnellläufer, Fahrwegsoptimierung) werden in dem Modell veränderbar integriert. Durch das Abbilden aller Einflussgrößen entsteht eine ganzheitliche Planungshilfe, die die für eine fundierte Konzeptentscheidung notwendigen Umschlagsleistungszahlen berechnet.

Das IGF-Vorhaben 14670 N/1 der Forschungsvereinigung Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.