Forschungsausstattung des Lehrstuhls in Hard- und Software

Datenhaltung in automatisierungstechnischen Forschungsprojekten

Das Management von Forschungsdaten im akademischen Arbeitsbereich stellt eine Herausforderung dar. Unterschiedliche Formate (z.B. pdf, xml, stp) und Quellen (z.B. Maschinen-, Betriebsdaten für den digitalen Zwilling oder unstrukturierte aber hochsensible Daten aus Experteninterviews) sind hierbei zu berücksicktigen. Ebenso steht die Sicherstellung der breiten Verfügbarkeit von Technologien und Services im Fokus.

Forschungsdatenverwaltung

Die sichere und konsistente Verwaltung großer Datenmengen über Jahre hinweg ist entscheidend für datengestützte Forschungsprojekte. Gerade in Verbundprojekten ist es essentiell, Daten unter Wahrung von Security-Anforderungen online verfügbar zu machen und dabei Versions- und Variantenmanagement einzuschließen. Dies wird durch die TUM-Workbench-Plattform und, speziell für die Softwareentwicklung, durch das LRZ GitLab unterstützt.

Für den Austausch mit der Forschungsgemeinschaft können Einzelpersonen über die Benutzerverwaltung der oben genannten Plattformen Zugang zu den dort verwalteten Daten erhalten. Publikationen für eine breitere Öffentlichkeit, wie z.B. Berichte, Whitepaper oder Preprints, werden über den Publikationsserver mediaTUM verfügbar gemacht.

Quellen: https://workbench.ub.tum.de/, https://gitlab.lrz.de/, https://mediatum.ub.tum.de/

Architekturmodell und Verwaltungsschale für Industrie 4.0

Standards für den digitalen Zwilling sind noch immer rar, obwohl auf internationaler Ebene Anstrengungen zur Standardisierung unternommen wurden. Die Norm ISO 23247 definiert ein "digitales Zwillings-Framework in der Fertigung" mit der Möglichkeit, seine Elemente zu überwachen und Betriebsdaten zu aktualisieren, doch gibt es keine konkreten Implementierungsstandards. Im Kontext von Industrie 4.0 (I4.0) wurde diese Notwendigkeit einer standardisierten Beschreibung der virtuellen Repräsentation durch die Einführung der Verwaltungsschale (Asset Administration Shell; AAS) aufgegriffen. Sie ist Teil des umfassenderen Reference Architecture Model I4. (RAMI4.0), das die Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus mit den in IEC 62264 / IEC 61512 definierten Hierarchieebenen auf verschiedenen Ebenen in einem dreidimensionalen Modell kombiniert, um eine gemeinsame Perspektive für alle I4.0-Akteure zu schaffen. Die AAS wird eingeführt, um Aspekte der intelligenten Fertigung wie horizontale Integration und Lebenszyklusmanagement zu fördern. In der Forschung des Lehrstuhls wird etwa eine digitale Repräsentation des Franka Emika Panda Roboters als AAS entwickelt, in den Webservice Azure Digital Twins integriert und anschließend genutzt, um webbasiert Informationen in der Simulationsumgebung Nvidia Omniverse Isaac Sim zu nutzen.

Quelle: https://www.plattform-i40.de/

Neo4J

Als graphbasiertes Datenbankmanagementsystem (DBMS) ist Neo4j eine verbreitete Plattform, um Daten zu repräsentieren, für die sich ein auf Tabellen basierendes relationales DBMS nicht gut eignet. Dies betrifft meist hochvernetzte Datensätze, die durch Abfragen entlang vernetzter Kanten effizient auf Inhalte durchsucht werden können. Zudem eignet sich die graphbasierte Repräsentation gut als Grundlage einer für Menschen verständlichen Visualisierung. Durch die genannten Vorteile sowie Einsetzbarkeit auf vielseitiger Hardware und über verschiedene Protokolle eignet sich Neo4j als Grundlage der Datenhaltung in einem laufenden Forschungsprojekt des Lehrstuhls.

Quelle: Neo4j.com

Benutzerschnittstellen für Analyse und Werkerführung

In der Produktionsautomatisierung arbeiten verschiedene Disziplinen (Maschinenbau, Elektrotechnik, Informatik, ...) an einer Vielzahl voneinander abhängiger Engineeringdokumente unter hohem Zeit- und Kostendruck und schlimmstenfalls über mehrere Kontinente verteilt. Hier den Überblick zu bewahren, Zusammenhänge zu verstehen, ein gemeinsames Verständis zu schaffen und Entscheidungen zu treffen wird immer mehr zu einer nicht bewältigbaren Aufgabe. Um diesen Problemen entgegen zu wirken, hat sich der Lehrstuhl für Automatisierung und Informationssysteme zum Ziel gesetzt, neue Formen der Visualisierung und Interaktion mit komplexen Informationen im Bereich der Automatisierungstechnik zu erforschen. Hierzu verfügt er über moderne Ausstattung, die in Projekten des Visual Computing Laboratory zum Einsatz kommt.

Datenbrillen - HoloLens, Dikablis, Viewpointsystem

Microsoft HoloLens ist ein eigenständiger holografischer Computer für Anwendungen der Mixed Reality bzw. Augmented Reality. Durch die transparenten Gläser der Brille ist die Umwelt dahinter sichtbar, zusätzlich können jedoch auch digitale Inhalte darauf projiziert werden. Durch ein Kamera- und Mikrofonsystem werden Befehle des Menschen aufgenommen, um mit der digitalen Erweiterung der Realität zu interagieren. Die Programmierung kann unter anderem mittels der Unity Entwicklungsumgebung erfolgen und ermöglicht innovative HMI-Anwendungen, beispielsweise bei der Werkerführung in Industrieanlagen oder zur geführten Qualitätsprüfung.

Eye-Tracking Systeme wie der Ergoneers Dekablis Eye-Tracker inklusive D-Lab Mess- und Analyseplattform und der Viewpointsystem VPS 16 Eye-Tracker erlauben es, die Interaktion mit Mensch-Maschine-Schnittstellen genau zu überwachen, menschliches Verhalten zu analysieren und die Schnittstelle so zu verbessern.

Quellen: https://www.microsoft.com/de-de/hololens/hardware, https://www.ergoneers.com/, https://viewpointsystem.com/

Bildschirme und Touchdisplays

Über eine Virtual Reality Powerwall (Schneider Digital Smart VR Wall) in Verbindung mit einem Advanced Realtime Tracking System wurden im EU-geförderten Forschungsprojekt INCLUSIVE Ansätze erforscht, die Bedienbarkeit automatisierter Systeme unter anderem für alte oder ungelernte Bediener durch innovative HMI-Anwendungen zu verbessern. Der Mensch sieht auf einer großen Leinwand eine virtuelle Szene, beispielsweise die Darstellung eines Fertigungsprozesses, und kann durch das Körpertracking unmittelbar damit interagieren.

Weitere Anwendungen stützen sich auf mobile Handgeräte, die relativ zu technischen Ressourcen und Maschinen bewegt werden können und dabei den dargestellten Inhalt aktualisieren. Bisherige Projekte basieren auf iOS, Android und Windows und wurden über die Entwicklungsumgebung Unity 3D erstellt.

Quellen: https://www.schneider-digital.com/, https://ar-tracking.com/de, https://unity.com/

Digitale Repräsentation und Überwachung des Prozesses

Ein Manufacturing Execution System (MES) dient der Überwachung des technischen Prozesses und seiner Leistungskenngrößen und dokumentiert deren Entwicklung über die Zeit. Auch die Interaktion mehrerer Prozessteile und die Zuteilung von Ressourcen können durch ein MES geplant werden. Es erfüllt damit eine distributive Funktion oberhalb der Steuerungsebene aber unterhalb des Enterprise Resource Planning (ERP), welches sich mit der Organisation des ganzen Unternehmens befasst. Mithilfe von MES können beispielsweise die Overall Equipment Effictiveness (OEE) verbessert und ein nachhaltiger und ressourcenschonender Betrieb unterstützt werden.

Die Funktionen eines MES überlappen mit denen eines Digitalen Zwillings des technischen Prozesses, dessen Funktion jedoch über die Überwachung hinausgeht. Es werden dabei nicht nur aggregierte Kenngrößen erhoben, sondern ein detailliertes digitales Abbild des Prozesses geschaffen, bis hin zu Simulationen von Teilen des Prozesses. Prädiktionen über die weitere Entwicklung des Prozesses können das Ziel sein, die dann wiederum nutzbar sind, um über den Digitalen Zwilling auf die Steuerungsebene einzuwirken.

Azure

Microsoft Azure bietet eine Auswahl von Cloud-Diensten zur Entwicklung eigener Applikationen und erfüllt somit Funktionen einer Platform-as-a-Service (PaaS) bzw. Infrastructure-as-a-Service (IaaS). Unter anderem können Digitale Zwillinge und Anwendungen des Internet of Things (IoT) projektiert und umgesetzt werden. In Forschungsarbeiten des Lehrstuhls dienen Azure Digital Twins der Beschreibung technischer Ressourcen sowie der interaktiven Abfrage von deren Eigenschaften. Hierzu werden graphbasierte Modelle durch die Digital Twin Description Language (DTDL) erstellt, deren Instanzen Ressourcen im technischen Prozess repräsentieren. Über den Azure IoT Hub wird eine Datenanbindung an den Prozess realisiert.

Quelle: https://portal.azure.com/

Siemens MindSphere

MindSphere® ist eine industrielle IoT-as-a-Service-Lösung zur Umsetzung von Anwendungen auf Edge- und Cloud-Ebene. Hierbei nutzen wir die Plattform zur Umsetzung ganzer Datenpipelines von der Datenerfassung über die Echtzeitanalyse auf Edge-Devices bis hin zur Cloud-Analyseverfahren, die mit großen Rechenaufwand verbunden sind. Als programmierbare Schnittstelle wird Python verwendet, sodass Python-Code direkt in der MindSphere ausgeführt werden kann. Damit steht ein breites Repertoire an Maschine Learning Frameworks zur MindSphere Anwendung zur Verfügung.

Quelle: https://siemens.mindsphere.io/

Projektierung und Analyse Speicherprogrammierbarer Steuerungen

Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) bilden die Brücke zwischen Feldgeräten und der softwaregestützten Prozessführung. Über Bussysteme und direkte Verdrahtung sind sie mit Sensoren und Aktoren im Feld, aber auch anderen Rechengeräten in Edge, Fog und Cloud verbunden. Um die verbundenen Geräte zuverlässig anzusteuern, arbeitet die SPS echtzeitfähig, d.h. ihr Zeitverhalten ist deterministisch und kann in einer garantierten Zeitspanne Daten vom Prozess aufnehmen, umsetzen und ausgeben. Hierzu werden auch spezielle Programmiersprachen verwendet - häufig die in der Norm IEC 61131-3 spezifizierten.

Die Projektierung erfolgt für die SPSen verschiedener Hersteller in jeweils eigenen proprietären Entwicklungsumgebungen, beispielsweise TIA Portal und Step 7 für Siemens, TwinCAT für Beckhoff, Machine Expert für Schneider Electric, PLCnext Engineer für Phoenix Contact sowie Codesys. Die mit der IEC 61131-3 verwandte Norm IEC 61499 spezfiziert ein eventbasiertes Programmierparadigma, das durch NxT Technology RT unterstützt wird. Unter all diesen Plattformen und auf den dazugehörigen Geräten hat der Lehrstuhl bereits Expertise aufgebaut.

Neben der Verwendung in Demonstratormaschinen und -anlagen steht dabei insbesondere die Analyse der Steuerungssoftware im Vordergrund, unter anderem in Codesys, Machine Expert, Step 7 und TIA Portal. Gemeinsam mit Beckhoff wurde zudem das Laufzeitverhalten auf TwinCAT Steuerungen untersucht - hierzu zeichnet das TwinCAT Scope Prozessdaten und der TwinCAT Profiler Ausführungszeiten von Programmroutinen auf. Der Logistics and Process Composer in Codesys dient speziell der Konfiguration von Intralogistikprozessen. Die benannten Werkzeuge wurden in verschiedenen Projekten prototypisch realisiert und in enger Zusammenarbeit mit Unternehmenspartnern evaluiert.

Quellen: https://new.siemens.com/de/de/produkte/automatisierung/industrie-software/automatisierungs-software/tia-portal.html, https://www.beckhoff.com/de-de/produkte/automation/twincat-3-scope/ 

Steuerungstechnik in Cloud, Edge und Fog

Als wesentlichen Bestandteil aller Forschungsschwerpunkte unseres Lehrstuhls betrachten wir aktuelle, zukünftige und industrielle Steuerungen und Steuerungsarchitekturen. Beginnend bei klassischen Steuerungscode für Feldtechnologie bis hin zur KI-Anwendungen die hohe Rechenleistungen erfordern ergeben sich in der realen Anwendung immer strenge Anforderungen an die Kombination aus Software und Hardware. Besonders im feldnahen Bereich sind Echtzeitanforderungen ein unumgängliches Thema, da bei Datenverlust und nicht deterministischen Latenzen sicherheitskritische Funktionen beeinträchtigt sind, bzw. komplett ausfallen. Um dennoch den neusten Stand an Machine Learning oder KI-Ansätzen in reale industrielle Anlagen zu bekommen, betrachten wir alle relevanten Steuerungen aus den Bereichen Systems on Chip (Mikrocontroller), Single Board Computer, Steuerungen für mobile Anwendungen, SPS, Edge Gateways, IPCs und Cloud Servern. Im Folgenden ist eine Auswahl von Geräten, die wir momentan bedienen aufgeführt:

 

System on Chip (Mikrocontroller):

  • Infineon PSoC4 (Arm® Cortex®-M0 / Arm® Cortex®-M0+)
  • Infineon PSoC6 (dual-core Arm® Cortex®-M4 / Arm® Cortex®-M0+)

Single Board Computer:

  • Raspberry Pi 4 Computer Modell B, 4GB RAM
  • BeagleBone BeagleBoard Black (ARM Cortex A8)
  • Beagle Bone AI (Hardware Accelerated)
  • Nvidia Jetson Nano (Hardware Accelerated)
  • etc.

Steuerungen für mobile Anwendungen:

  • Sensortechnik Wiedemann ESX.3CS STW
  • Sensortechnik Wiedemann ESX.3CM STW
  • HAWE CAN-IO 14+
  • HAWE CAN-IO 14 Pro

SPS / Embedded PC:

  • Siemens SIMATIC S7-300
  • Siemens SIMATIC S7-1500
  • Beckhoff CX9020
  • Beckhoff CX2040
  • Schneider nxtControl (IEC61499)
  • Phoenix Contact PLCNext Control AXCF2152
  • etc.

Edge Gateways

  • Siemens SIMATIC IoT2040
  • Siemens SIMATIC IoT2050
  • Siemens SIMATIC Mictrobox
  • Hirscher netPI RTE3
  • etc.

Industire PCs:

  • Siemens SIMATIC Mictrobox
  • sDSPACE SCALEXIO

Cloud Server:

  • The Dell PowerEdge R640 server
  • GeForce RTX 2070

Quellen: https://www.beckhoff.com/de-de/, https://www.infineon.com/cms/de/product/microcontroller/, https://beagleboard.org/AI, https://www.stw-mobile-machines.com/produkte/mobile-controller/, https://developer.nvidia.com/embedded/jetson-modules, https://new.siemens.com/de/de/produkte/automatisierung.html

Kommunikationsschnittstellen

Zur Integration aller Automatisierungsebenen decken wir eine große Bandbreite an Protokollen, Schnittstellen und Methoden zur Kommunikation zwischen Steuerungen ab. Aktuell legen wir unter anderem besonders Augenmerk auf die Cloud-Anbindung mittels MQTT, http(s) oder OPC UA und untersuchen Eigenschaften wie Zeitverhalten, Datenverluste und die Eignung in Kombination mit diversen Datenmodellen. Ebenfalls sind klassische Feldbussysteme wie EtherCAT, Profinet, CAN und weitere Gegenstand unserer Forschung.

Hardwarebeschleunigtes High-Performance Computing

Moderne datenbasierende Analyseverfahren, insbesondere im Bereich des Maschinellen Lernens, erfordern eine sehr hohe Rechenleistung. Um Rechenzeiten zu optimieren oder überhaupt erst zu ermöglichen, sind ein großer Arbeitsspeicher und schnelle Prozessoren (CPU) erforderlich, deren Mehrkernarchitektur auch nebenläufiges Rechnen ermöglicht. Für einige datengetriebene Anwendungen nutzt der Lehrstuhl auch Hardwarebeschleunigung in Form von Grafikprozessoren (GPU), die gegenüber CPUs noch eine vielfach höhere Nebenläufigkeit besitzen und einige häufige Rechenoperationen direkt im Silizium implementieren.

Die NVIDIA GeForce RTX 2070 und GeForce RTX 3090 sind leistungsstarke Grafikprozessoren inklusive eigener Raytracing-Recheneinheiten und Tensor-Recheneinheiten, durch die sie sich sowohl für fortgeschrittene Visualisierungs-, als auch KI-Anwendungen eignen. Diese Leistung wird einerseits für das effiziente Training neuronaler Netzwerke und Reinforcement Learning in Agentensystemen genutzt, andererseits zur Umsetzung Digitaler Zwillinge im Rahmen der vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) geförderten Leuchtturm-Initiative KI.FABRIK. Für generelles Hochleistungsrechnen dient weiterhin ein Rack Server PowerEdge R640 des Herstellers Dell. Neben Anwendungen des Maschinellen Lernens werden hierauf auch Analysen großer Datensätze, etwa industrieller Alarmdaten, durchgeführt.

Quellen: https://www.nvidia.com/, https://www.dell.com/