Forschungsberichte
Gusseigenspannungen und elastische Verformungen nach trennenden Fertigungsschritten
Timo Hanß
151 Seiten | 0 Abbildungen | Hieronymus Buchreproduktions GmbH, München, 2005 | ISBN 3-89791-347-X |
In der vorliegenden Arbeit wurden die Änderungen des Eigenspannungszustands und des damit verbundenen Verformungszustands in Aluminiumgussteilen untersucht, die beim Abtrennen von Bauteilbereichen auftreten. Das verwendete Trennverfahren wurde dabei so gewählt, dass Einflüsse von Bearbeitungseigenspannungen vernachlässigt werden konnte.
Auf der Grundlage der Messergebnisse wurden Zusammenhänge zwischen Eigenspannungen und Verformungen in Abhängigkeit von der Gussteilgeometrie und der Größe des abgetrennten Bauteilbereichs abgeleitet. Sie bieten die Möglichkeit die Auslegung von Gussteilen zu optimieren.
Es zeigte sich, dass während die Eigenspannungsänderung hauptsächlich von den Wandstärken- und Eigenspannungsverhältnissen im verbleibenden Gussteil abhängig ist, der elastische Rücksprung maßgeblich durch die Gestalt des abgetrennten Bauteilbereichs beeinflusst wird.
- Um den vorhandenen Eigenspannungszustand beim Abtrennen weitgehend unbeeinflusst zu lassen, sollte die Eigenspannungsintensität (Eigenspannung X Wandstärke) im Bereich der Trennlinie möglichst konstant ist.
- Um den elastischen Rücksprungs zu minimieren, muss die Geometrie des Gussteils so gestaltet werden, dass der abzutrennende Bereich die Steifigkeit des Bauteils in der Umgebung der Trennlinie nicht maßgeblich beeinflusst.
Zusätzlich wurde untersucht, wie sich ein Abschrecken des Gussteils nach dem Entformen auf den Eigenspannungszustand und die Verformungen nach dem Abtrennen auswirkt. Es zeigte sich, dass sich die Auswirkung des Abschreckens erst nach dem Abtrennen des Anschnittes in einem wesentlich größeren Rücksprung äußerte. Dieser Rücksprung könnte durch eine Versteifung im Anschnittbereich, die nicht abgetrennt wird, reduziert werden.
Ferner wurde eine Methodik zur Berechnung der Eigenspannungs- und Verzugsänderung beim Abtrennen von Bauteilbereichen entwickelt und verifiziert. Eine Analyse des allgemein verwendeten elastisch-plastischen Werkstoffmodells ergab, dass die inhomogenen plastischen Verformungen, welche die Ursache für die berechneten Eigenspannungen sind, bei Al-Legierungen in einem Temperaturbereich von mehr als 500°C entstehen. Dabei zeigte sich, dass der Verlauf des Wärmeausdehnungskoeffizienten den größten Einfluss auf den berechneten Verzug hat. Die berechneten Eigenspannungen ergaben, unabhängig von den verwendeten Werkstoffkennwerten, zu hohe Werte im Gusszustand. Es wurde gezeigt, dass diese Abweichungen auf Spannungsrelaxationsvorgängen beruhen, die im Werkstoffmodell bisher nicht berücksichtigt werden.
Um eine quantitativ hinreichend genaue Berechnung des Rücksprungs zu ermöglichen, wurde ein konstanter Spannungskorrekturfaktor eingeführt, der die Spannungsrelaxation während der Abkühlung berücksichtigt.
Die Erweiterung des Werkstoffmodells um zeitabhängiges inelastisches Materialverhalten (Kriechen) bietet künftig Potenzial, die Berechnungsgenauigkeit von Gusseigenspannungen und Verzügen zu verbessern. Dazu müssen für technische Legierungen Kriechgesetze aus Experimenten abgeleitet und in das Werkstoffmodell integriert werden.
In einem weiteren Schritt sollte bei einer spanenden Bearbeitung mit großem Zerspanvolumen der Einfluss der Bearbeitungseigenspannungen untersucht werden. Durch die Weiterentwicklung der Rechnerleistung könnte dann ein Zusammenführen von Eigenspannungssimulation und Zerspanungssimulation erfolgen, die derzeit nur unter starken Vereinfachungen ansatzweise möglich ist. Damit wäre ein weiterer Schritt zur optimalen Voraussage der Bauteilqualität möglich.